Marc-Alastor E.-E. De Joco Suae Moechae
Kriecher
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»Kriecher« (De Joco Suae Moechae) von Marc-Alastor E.-E.
Wer bei Fantasy automatisch an muskelbepackte Helden wie beispielsweise
Conan denkt, die gegen schrecklich aussehende Orks kämpfen, um
eine leichtbekleidete Prinzessin mit enormer Oberweite zu befreien, der
hat noch nie etwas von Dark Fantasy gehört. Ein neuer Vertreter dieser
Abteilung ist "Kriecher" von Marc-Alastor E.-E.
Ein schwarzer Schemen schleicht durch die Nacht. Er ist verbittert und böse.
Der Kriecher, einst ein normaler Mann, durch einen Mord an seiner Geliebten
aber zum Antiheld mutiert und von einer Göttin, deren erotischer Aura
er verfallen ist, zu einem neuen Leben erwählt.
Das Buch "Kriecher" erzählt die Erlebnisse dieser Kreatur,
die sich in einem Stadium des Daseins zwischen Mensch und Schatten befindet.
Kriecher soll seiner dunkle Göttin dienen und deren böse Ziele
verfolgen, doch er versagt und wird verstoßen.
Niedergeschlagen und voller Fragen wankt er durch eine Welt, die an Phantasiereichtum
denen eines C.A. Smith kaum nachsteht. Trolle, Zyklopen, Elfen und andere
abenteuerliche Geschöpfe kreuzen seinen Weg, der auch immer eine
Straße in die Erinnerung ist. Gepeinigt vom Bewusstsein des Mordes
und bedrängt vom Wunsch des Vergessens trifft Kriecher seine Mutter,
die ihn aber nicht erkennt. Später schließt er sich einer Hexe
und ihrem Gefolge an, um sich schließlich am Ende zum Herrscher
einer Stadt inmitten der Sümpfe aufzuschwingen.
Der Stil der Novellensammlung besticht durch seine Innovationsfreude.
Die Sprache gemahnt an alte Heldenepen des Mittelalters, wobei der Autor
auch vor der Verwendung mittelhochdeutscher Worte nicht zurückschreckt.
Sie fügen sich aber meist sehr gut in den Inhalt ein und fallen deswegen
nicht unangenehm auf. Die Sammlung wirkt außerordentlich gut durchkomponiert
und stilsicher. An manchen Stellen wurde aber des Guten zuviel getan und
die Ausdrücke sind unfreiwillig schief geraten. Dafür glänzen
in anderen Momenten geglückte neue Sprachbilder - der Leser wird
also nicht mit abgegriffenen Satzhülsen abgespeist, sondern kann
sich die geistige und materielle Welt des Kriechers durch diese unverbrauchten
Sprachbilder sehr gut vorstellen.
Besonders erwähnenswert ist, dass sich die Aussage des Buchs nicht
auf ein "Einer-haut-alle-anderen-um-und-siegt" Klischee bringen
lässt. Es ist beachtenswert, dass hier philosophische Grundfragen
des Lebens mit einer spannenden Story so verwoben wurden, dass sie nicht
aufgesetzt wirken sondern Bestandteil der Geschichte sind.
Es war eine wahre Freude, die Sammlung zu lesen, zeigt sie doch,
dass es der deutschen Phantastik keineswegs an jungen Talenten mangelt.
Hoffen wir, dass dieser Trend anhält und noch weitere Autoren die
Chance auf eine Buchveröffentlichung bekommen. Für ein Erstlingswerk
ist "Kriecher" eine überdurchschnittliche Leistung. Man
darf auf die Folgebände gespannt sein, wobei der dritte Band sogar
eine Mischung aus Lyrik, Prosa und Schauspiel verspricht. Respekt und
Hut ab vor Marc-Alastor E.-E.!
Meine Wertung: 8 von 10 Sternen