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Ursula K. Le Guin

Hainish Zyklus 5
Die linke Hand der Dunkelheit

  • Autor: Ursula K. Le Guin
  • Titel: Die linke Hand der Dunkelheit
  • Serie:Hainish Zyklus 5
  • Genre:SF
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:FISCHER Tor
  • Datum:25 Januar 2023
  • Preis:18 EUR

 
»Die linke Hand der Dunkelheit « (Hainish Zyklus 5) von Ursula K. Le Guin


Besprochen von:
 
Flavius
Deine Wertung:
(3.5)

 
 
Das Epoche machende Science-Fiction-Meisterwerk von Ursula K. Le Guin jetzt in neuer Übersetzung.
Gethen ist ein Winterplanet und permanent mit Eis bedeckt. Auch die politische Lage ist alles andere als einfach: Zwischen dem Königreich Karhide und seinem Nachbarland Orgoreyn existieren starke politische Spannungen.
Die Aufgabe von Genly Ai, der als terranischer Abgesandter die Bevölkerung davon überzeugen möchte, dem Weltenverbund des Ekumen beizutreten, ist also alles andere als einfach. Zumal ihm die Regeln und Konventionen vor Ort nicht vertraut sind und ihn die fehlende Zweigeschlechtlichkeit der Bewohner irritiert. 
Sein wichtigster Ansprechpartner ist Estraven, der Premierminister des Königs von Karhide, aber er hat keine Ahnung, ob er ihm vertrauen kann. Als Estraven des Verrats beschuldigt wird, läuft Genly Ai Gefahr, seinen wichtigsten Verbündeten zu verlieren. Er muss sich entscheiden, wo seine Loyalität liegt.

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Wieder einmal herrscht nach dem Lesen eines Buches von Ursula K. Le Guin eine relativ große Ratlosigkeit bei mir. Das ging mir bei Das Wort für Welt ist Wald und bei Planet der Habenichtse schon so. Es ist nicht so, dass mir die Bücher nicht gefallen hätten, eher so, dass ich einfach nicht viel mit ihnen anfangen kann. Für viele Leser sind die Bücher der Autorin bedeutende und sozialkritische Werke, für mich sind sie eher unspektakulär und relativ langweilig. Auch wenn es im vorliegenden Fall wieder einmal so gewesen ist, kann ich mich diesmal jedoch nicht einer gewissen Faszination entziehen die es auf mich ausgeübt hat.

Die linke Hand der Dunkelheit wurde 1969 geschrieben und heimste sowohl den Hugo wie auch den Nebula Award ein. Man muss kein Kenner der Materie sein um erahnen zu können, wie geradezu revolutionär das Buch zu diesem Zeitpunkt gewesen sein muss. Homophobie, Rassenhass und Engstirnigkeit waren zentraler Bestandteil der damaligen Epoche (und sind es heute leider immer noch). Und dann komm doch allen Ernstes ausgerechnet eine Frau daher und schreibt von Androgynität und das Menschen heute ein Mann und einen Monat später eine Frau sein können, dass man einen Monat später mit seinem besten Freund schläft weil dieser auf einmal eine Frau ist. Das muss eingeschlagen haben wie eine Bombe (kann ich mir vorstellen).

Im Klappentext des Buches wird der Hintergrund der Geschichte bereits gut erklärt. Gethen ist ein Planet, der einst von Menschen besiedelt wurde. Genly Ai ist Vertreter des Ekumen, einer Gemeinschaft von gleichberechtigten Planeten der zivilisierten Völker der Galaxis. Ais Auftrag besteht nun darin, die verschiedenen Herrscher von Gethen von den Vorteilen eines kollektiven Eintritts in das Ekumen zu überzeugen. Das entpuppt sich jedoch aus zweierlei Gründen als recht schwierig.

Erstens sind die verschiedenen Herrscher Gethens gar nicht an einem Eintritt interessiert (lieber einen kleinen Bereich des Planeten als König beherrschen, als ein Niemand in einem Völkerbund zu sein) und zweitens kommen die Gethener nicht gut damit klar, dass Genly und die restliche Menschheit quasi dauerbrünftig sind. Auch wenn es sich bei den Gethenern um Menschen handelt, haben sie jedoch nur für eine ganz kurze Zeit im Monat ein Geschlecht und sind zeugungsfähig. Entweder weiblich oder männlich, wobei sich dieses im nächsten Monat auch schon wieder umkehren kann. Für den Rest des Monats sind sie quasi ein Neutrum, weder Mann noch Frau. Da Genly und der Rest der Menschheit jedoch auf Dauer ein Geschlecht haben, sind sie in den Augen der Gethener quasi dauergeil und somit mit einem Makel behaftet, mit dem sie nicht besonders gut klar kommen. Dennoch hat Genly einen Fürsprecher am Hof des Königs von Karthide, einem von zahlreichen autarken Königreichen. Sein/ihr Name ist Estraven, den Genly selbst immer mit -männlich- assoziiert, weshalb ich beim -er- bleibe.

Die beiden Hauptcharaktere Genly Ai, terranischer Abgesandter des Ekumen, und Therem Harth rem ir Estraven, Premierminister des Königs von Karhide, waren mir auf Anhieb sympathisch. Jeder auf seine teilweise recht komplizierte Art. Geradezu tief tragisch ist ihr Verhältnis zueinander. Der einzige, der hundertprozentig auf der Seite von Genly Ai steht, Estraven, ist ausgerechnet der, zu dem Genly am wenigsten Vertrauen hat. Das liegt daran, dass Estraven Genly gegenüber nicht allzu mitteilsam ist und eher einen (vermeintlich) umständlicheren Weg beschreitet, den er jedoch für den einzig sinnvollen hält. Da Genly das nicht nachvollziehen kann und viel zu kompliziert denkt, ist er der Überzeugung, Estraven würde eher gegen ihn als für ihn sprechen.

Für den Leser sind die Ziele Estravens offensichtlich, denn die Geschichte wird nicht nur aus der Sicht Genlys erzählt, sondern auch aus der Sicht Estravens. Während der Leser also weiß wie Estraven es meint, tappt Genly oftmals im Dunkeln oder zieht falsche Schlüsse. Daraus entwickelt sich der Mangel an Vertrauen. Wie sich ihre Wege immer wieder keuzen und trennen – und letztendlich in einer strapaziösen Reise durch die Eiswüsten des Planeten Gethen gipfelt, war einfach toll zu lesen. Zwar spannungsarm, aber toll. Ihre Gespräche miteinander und wie sie immer mehr für ihren Gegenüber Verständnis aufbringen, wünscht man sich auch in der heutigen Zeit.

Der Schreibstil der Autorin ist für mich, wie immer möchte ich fast sagen, relativ langweilig und ermüdend. Ja, ich weiß, ist aber halt so. Wie auch in den anderen Büchern die ich von ihr kenne, läßt sie ihre Protagonisten die Kulter ihres jeweiligen Gegenübers aus erster Hand erleben. Sie schreibt nicht einfach nur das etwas so ist oder so oder so, sie lässt ihre Charaktere vielmehr in dem Geschehen und in die Kultur eintauchen, sie teilhaben. Und um so etwas als Leser genießen zu können, muss man schon einen langen Atem haben. Und den habe ich in so einem Fall leider nicht, da es mit der Zeit dann doch recht dozierend und einfach zu ermüdend wird. Ein Grund vermutlich, warum ich die Werke der Autorin eher weniger lese.

Ansonsten wüsste ich leider nicht viel mehr über dieses Buch zu sagen, in dem halt Geschlechtlichkeit und der Wille nach Verständigung im Vordergrund stehen, dazu passiert einfach zu wenig. Positiv zu vermerken ist sicherlich der Umstand, das Die linke Hand der Dunkelheit auch in der heutigen Zeit noch seine Bedeutung und Relevanz hat. Das spricht eindeutig für das Buch und leider gegen die ewig Gestrigen und Kleingeister dieser heutigen Zeit, von denen es noch viel zu viele gibt.

Fazit
Für Fans der Autorin sicherlich ein muss-ich-gelesen-haben Buch. Aber auch den Leser, die eher auf weniger sozialkritische und bedeutungsschwere Romane stehen, möchte ich es dennoch ans Herz legen. Vielleicht kann es ja doch helfen, diese Welt zu einem besseren und verständnisvolleren Ort zu machen. Und damit wäre schon viel gewonnen (spannend ist es aber trotzdem nicht).
 


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