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Stephen Baxter

Proxima

  • Autor:Stephen Baxter
  • Titel: Proxima
  • Serie:
  • Genre:SF
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:Heyne Verlag
  • Datum:08 September 2014
  • Preis:10,99 EUR

 
»Proxima« von Stephen Baxter


Besprochen von:
 
Flavius
Deine Wertung:
(4)

 
 
Man nehme eine Anzahl unerwünschter Personen, vorzugsweise Verbrecher, Außenseiter oder Dissidenten, packe sie in ein Raumschiff und verfrachte sie auf einen Lichtjahre entfernten und noch unerforschten Planeten. Dann werfe man alle, in Gruppen zu rund einem Dutzend, irgendwo raus und gebe ihnen den Auftrag nun eine menschliche Kolonie zu gründen.

Was in Stephen Baxters neuem Buch Proxima (OT: Proxima) so einfach klingt, nämlich die Besiedlung eines neuen Planeten, wurde in der guten alten SF-Zeit noch von hervorragend ausgebildeten Spezialisten durchgeführt. Bei Baxter ist es einfacher, da reicht es schon aus, Pilot, Prostituierte, Buchhalter oder Manager zu sein um als Gründungssvater oder –mutter in die Annalen einer neuen Kolonie einzugehen. Allerdings gestattet es Baxter nur einem Teil seinen Charaktere ihre zwangsweise angeordnete Aufgabe zu einem krönenden Abschluß zu bringen. Denn eines ist sicher, auch in die neue Welt werden die alten Probleme mitgenommen: Neid, Eifersucht, Triebhaftigkeit und Dummheit. Das dieses Abenteuer überhaupt jemand überlebt ist schon ein außerordentlicher Erfolg.

Ich mochte die Bücher von Baxter schon immer. Für mich ist der englische Autor ein Visionär. Jemand, der über den Tellerrand hinausblicken kann und Geschichten erzählt, wie sie phantastischer nicht sein könnten. Der Handlungsbogen seiner Geschichten beschränkt sich nicht immer auf einen kurzen Zeitrahmen, sondern ist oftmals generationenübergreifend. Es vergehen nicht Jahre, sondern Jahrhunderte oder gar Jahrtausende. Seine Protagonisten erleben auch schon mal den Untergang eines Universums oder auch die Entstehung eines Neuen.

Baxter schreibt nicht immer gut oder kurzweilig, dafür aber immer faszinierend. Auch in Proxima gibt es wieder zahlreiche Passagen, die auch gerne etwas kürzer hätten ausfallen dürfen. Die Abenteuer von Yuri und Mardina auf Per Ardua oder die Gespräche von Stef und Erdlicht sind nicht immer unterhaltsam oder ein Pageturner. Aber dazwischen, da lauert dann das schon angesprochene faszinierende Element, diese Fülle an unkonventionellen Ideen.

Man entdeckt auf Merkur die Kernels. Wer sie erschaffen hat weiß man nicht. Dazu kommen die Luken. Wie sich herausstellt sind sie nicht nur Portale, durch die man in Nullzeit die Strecke Per Ardua – Erde bewältigen kann (für die man sonst 4 Jahre braucht), sondern sie scheinen auch die Zeitlinie gezielt zu verändern, wie Stef am eigenen Leibe zu spüren bekommt. Aber offensichtlich nur sie, denn der Rest der Menschheit bekommt davon nichts mit. Auch die zweite Luke auf Per Ardua öffnet den Weg auf eine neue, von Menschen bewohnte Welt. Man hat das Gefühl, sich dort in der Vergangenheit unserer Erde zu befinden, jedoch in einer Vergangenheit, die wohl einen anderen Zeitverlauf genommen hat.

Weniger faszinierend geht es indessen auf der dystopische Erde zu. Die Meere haben weite Teile der Küsten überflutet und ganze Städte im Ozean versinken lassen, während im Landesinneren ganze Landstriche veröden. Den (bösen) Gegenpart zur (guten) UN verkörpern die Chinesen. Offensichtlich werden diese für SF Autoren immer interessanter.

Das Sonnensystem ist brüderlich, nach Kain und Abel Manier, aufgeteilt worden. Der eine will unbedingt das, was der andere hat und ist bereit es sich mit Gewalt zu nehmen. Die Chinesen (die den Mars und den Asteroidengürtel offiziell in Besitz genommen haben) wollen Zugang zur Kernel Technologie und den Portalen auf dem Merkur (neben dem Mond offiziell im Besitz der UN). Die UN hingegen will den Zugriff auf die Ressourcen im Asteroidengürtel. Wie löst man so ein Dilemma? Genau, man schmeißt einen Asteroiden auf die Erde und tötet so den überwiegenden Teil der Bevölkerung. Aber das ist nicht ganz so schlimm. Mit der mittlerweile kontinuierlich besiedelten Welt Per Ardua (die Portaltechnik machts möglich) haben zumindest die UN Bürger eine denkbare Alternative.

Die Schreibweise ist angenehm und leicht zu lesen. Als studierter Wissenschaftler hält sich Baxter diesmal mit ausufernden wissenschaftlichen Exkursen und Fachausdrücken zurück. Der Spannungsbogen ist, das muss man ehrlicherweise sagen, relativ flach. Aber der ganze Plot scheint auch nicht in erster Linie auf die Erzeugung von Spannung ausgelegt worden zu sein. Diese hätte Baxter durch Schilderungen von Kämpfen der Kolonisten mit blutrünstigen einheimischen Lebensformen oder durch ausufernde Schlachten zwischen Chinesen und UN leicht erreichen können.

Baxter ist statt dessen ein ruhiger Erzähler. Jemand der es mag, geheimnisvolle und faszinierende Welten und Szenarien zu entwerfen – und das ohne ausufernde Action. Das gelingt ihm auch richtig gut. Das man als Leser nicht viel über die beiden Protagonisten Stef Kalinski und Yuri Eden erfährt, fällt nicht weiter ins Gewicht. Baxter ist nicht unbedingt ein Autor der es regelmäßig schafft tiefgründige Charaktere zu entwerfen. Aber das muss er auch nicht. Seine Charaktere sind eher schmückendes Beiwerk dem er es erlaubt, sich als Gast in seinen wirklich tollen und kreativen Weltenentwürfen zu bewegen.
 


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